Ich schwöre – auf dem allerersten Blick und ohne durch den Zoom-Sucher der Kamera zu blicken, sah der Zipfel auf dem Wasser aus wie die Freiheitsstatue. Nun gut, ich bin schwer kurzsichtig und das glitzernde Licht im Umbruch der kleinen Wellen hat das Fokussieren durchaus erschwert. Aber dass ich mich nicht nur optisch sondern auch gegografisch so irrte, hat die Schmach fast noch vergrößert.
Denn ich bilde mir durchaus etwas auf meine geografische Kompetenz ein, kann Koblenz von Konstanz unterscheiden und die Imagination einer Deutschland-/Europa-/Weltkarte ist jederzeit abrufbar. Na gut, es gibt Länder wie Kambodscha, die ordne ich spontan sicher nicht so richtig ein. Aber wer kann das schon, außer den Kambodschanern? – Hier in New York aber, der Stadt der logisch geordneten Blöcke, Streets und Avenues, lag ich jetzt komplett falsch.
Man kann von Corney Island nämlich überhaupt nicht auf die Freiheitsstatue sehen. Manhattan ist ebenfalls verborgen. Das zeigte der verwirrte Blick auf Google-Maps mir sofort.
Also gut, keine Freiheitsstatue. Tatsächlich ist das der Leuchtturm das West Bank Light in der Lower Bay. Das schöne Bauwerk arbeitet seit 1901 als Richtfeuer für die vom Atlantik kommenden und dorthin ausfahrenden Schiffe.
Du kannst auf der Karte auch gut sehen, welcher Blick sich mir bot: viel Wasser, Staten Island, die Halbinsel von Red Hook und New Jersey. Übers Wasser geschaut. An Land gab es eben soviel zu sehen, denn Corney Island ist seit 1829 DIE sommerliche Vergnügungsstätte New Yorks. Jetzt, Ende Oktober, lag der Vergnügungspark wie eine verblichene Schönheit da. Es war After-Season und Riesenrad, Achterbahn, Kettenkarussell und all die anderen Kreischgeräte standen still. Es war Freitag der Luna Park sollte nur noch einmal in diesem Jahr öffnen: an diesem Wochenende. Das war insofern wunderbar, als dass Promenade (die Surf Avenue) und Strand wunderbar leer war. Genau richtig, um die Schönheit der Umgebung ganz in Ruhe zu genießen.
Dieser Anblick macht nicht nur eine Norddeutsche glücklich, nicht wahr?! Du siehst am leichten Gekräusel des Wassers, dass es gewindet hat. Absolut harmlos, zumal die Sonne schien. Und nichts im Vergleich zum Hurrikan Sandy, dessen Zerstörungswut sich auch auf dem Strand, der Surf Avenue und dem Vergnügungspark ausgelassen hat, wie diese Bilder und dieser Beitrag zeigen. Seit dem 29. und 30. Oktober 2012 ist viel renoviert worden, unter anderem der Strand. Mit schwerem Gerät wurde viel Sand aufgefahren und festgepresst. Mit dem Effekt, dass ich in Unkenntnis dieses Vorgehens völlig überrascht von der Festigkeit des Strandes schon an der Promenade war. Du kannst das vielleicht hier erkennen:
Was Du auf alle Fälle siehst, sind die 18 bis 24-stöckigen Apartmenthäuser, in denen vorwiegend emigrierte Russen leben. Im Volksmund heißt Corney Island deswegen auch Little Odessa. Tatsächlich habe ich auf der Promenade viel russisch gehört, zwischen den übermäßig geschminkten End-Siebzigern, den zarten Blondinen Anfang zwanzig oder den beiden Männern, deren Körperlichkeit eine gewisse Aggressivität ausstrahlte.
Besonders bezaubert haben mich aber diese beiden Anblicke:
Sind sie nicht entzückend, die Nixe und der neugierige Vogel? Und ganz zum Abschluss des Spaziergangs am Strand und auf der Promenade, im leichten Wind, bei schönstem Sonnenschein und einem spannenden Wolkenspiel bot sich dann noch dieses Motiv, dass die Stimmung auf Corney Island im Oktober sehr gut wiedergibt: