Diese Dame gehört eindeutig zu den Privilegierten. Denn: Einen Schlüssel hatte Elaine leider nicht, die Gästeführerin. Darauf hatte ich im Stillen gehofft, als ich den geführten Spaziergang zum Gramercy Park bei Big Onion Tour buchte.
Dabei hatte ich mir ein wenig Ruhe unter den jahrhundertealten Bäumen in dem Privatpark, einem von zwei Manhattens, versprochen. Das seit 183 Jahren eingezäunte Grün liegt Midtown zwischen der 20. und 21. Street und gibt der Umgebung seinen Namen: Gramercy. 383 Schlüssel existieren, alle in der Hand derer, die dafür und für ein Apartment in den unmittelbar angrenzenden Häusern Millionen Dollar hingelegt haben. Wie die Dame oben wahrscheinlich. Den einzigen Verleihschlüssel hat der National Arts Club, dessen schönes Clubhaus vis á vis vom Eingangstor liegt. Aber auch dieser ist numeriert und codiert und wird gut bewacht: Wie früher schon Mark Twain, so müssen sich Clubmitglieder noch heute unter Aufsicht ein- und wieder austragen, wenn sie mit dem Schlüssel Einlass in die Ruhezone begehren; Gästezutritte sind nur in Begleitung von Mitgliedern erlaubt. Wir Touristen hatten also Pech – und das doppelt. Nicht nur, dass wir vor dem beeindruckenden schmiedeeisernen Tor stehen bleiben mussten, es war auch laut. Die sonst so friedliche Umgebung, in der die Zeit im vorvorigen Jahrhundert stehengeblieben zu sein scheint, zerstörte nicht-endend wollender Presslufthammerlärm: Das Haus in der 20th Street Ecke Irving Place wurde renoviert. Unlucky us!
Dennoch habe ich die Tour genossen. Elaine nahm sich viel Zeit für Erläuterungen und wurde dem Namen ihres Arbeitgebers gerecht: Bei den Spaziergängen sollte Schichten entfernnt, das Wesentliche gezeigt werden. Dazu gehört auch, den Blick für das neue Gebäude am Union Square zu schärfen:
Auf dem ersten Blick nur eines der vielen neuen Glaspaläste, die in Manhattan überall entstehen. Dieses besonders reizvoll durch die versetzten Terassen. Auf dem zweiten Blick aber ist der Neubau eine Reminiszenz an die schillernde Vergangenheit der Gegend: Du siehst die Bögen, gleich hinter den riesigen Scheiben? Hier noch ein genauerer Blick:
Nicht nur, dass die telefonierende Frau im Vordergrund die Dimension der Bögen zeigt, die beiden gehören auch inhaltlich zusammen: Der Union Square, 1839 als öffentlicher Park eingeweiht, war früher auch die „Ladys Mile„. Nicht nur, dass die Damen dort um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert dem einzigen Beruf nachgingen, der ihnen erlaubt war, als sogenannte Street dancer nämlich. Dort entstand auch der erste Shoppingbereich. Schaufensterbummel, das kannte man bis zu dem Zeitpunkt nicht. Der Bogen nun ist eines der meistgenutzten Dekorationselemente dieser Zeit, und damit schließt sich der Kreis.
Elaine hatte noch eine schöne Geschichte auf Lager: Zur Gandhi-Statue, die in der südwestlichen Ecke inmitten eines kleinen Bambushains ein bisschen versteckt steht. Lebensgroß, ziemlich ausgemergelt, sehr freundlich schauend steht der Friedenskämpfer da – doch so wollten ihn die Verantwortlichen in Tribeca, einem anderen Stadtteil New Yorks, bei Fertigstellung 1986 die Statue nicht in ihrem Park haben. Also hob man am Union Square die Finger und stellte ihn just an die Stelle, an der Jahrhunderte vorher im Kampf der Konföderierten viele Menschen ihr Leben ließen. Auch Drogensüchtige soll man in dem einst verrufenen und gefürchteten Park genau dort schon gefunden haben. Doch schlussendlich hat sich Gandhis Botschaft durchgesetzt: Union Square ist friedlich und sicher. Täglich findet vor der Statue ein Gemüsemarkt statt und viele Touristen lassen sich dort stolz fotografieren.
Solltest Du mal in New York Lust auf einen geführten Spaziergang haben, so empfehle ich Big Onion Tour. Die Touren sind inhaltlich spannend und die Guides freundlich, kundig, humorvoll. Du kannst online buchen, mit Kreditkarte bezahlen und bekommst eine Bestätigungs-Mail. Die zeigst Du dem Guide vor.
Hier die Website: www.bigonion.com