Campusglück – Ins Herz von Yale geschaut

Nun also Yale. Zwei Stunden Zugfahrt ab Grand Central Station. Obwohl die Strecke parallel zur Küste verläuft, ist die Fahrt nicht wirklich spannend, den man sah vom Ozean gar nichts. Da war es am Hudson entlang vor zwei Jahren viel schöner. Aber New Haven und der Universitätscampus – das zu besuchen hat sich wirklich gelohnt.

041116_yale6Begrüßt wurden wir von tollem Wetter, dem farbenfrohen Herbst und einem Tourguide, die ab „Visitor Center“ aufgedreht und fröhlich die Gruppe aus Neugierigen durch einen Teil des Campus führen wollte. „Stef“ kommt aus Honolulu und studiert Astrophysik. Du kannst hier auch Architektur studieren, Deutsch, Philosophie, Geologie und so spezielle Dinge wie „Women’s, Gender, & Sexuality Studies“. Mehr als 2000 Kurse werden jährlich den rund 11.500 Studierenden aus aller Welt angeboten. Zwei Wochen lang darf sich jeder in einer als „shopping period“ bezeichneten Zeit in all dem umtun, was ihn oder sie interessiert. Doch dann muss man sich entschieden habe. Nach vier Jahren verlässt man dann die Universität und geht als bestens ausgebildeter Absolvent ins Berufsleben. Yale ist übrigens die drittälteste Universität des Landes (1701 gegründet, 1718 als Yale University bezeichnet) und eine der rennomiertesten. Auf Stef wartet also eine gute Zukunft.

Yale-Campus: Viel Luft und Natur

041116_yale1Der Campus besticht durch seine weitläufige Anlage. Er ist wie eine Stadt in der Stadt, aber ohne hohe Mauern oder abgeschottet zu wirken. Die Studierenden wohnen in einem der zwölf „Residential College“, immer 400 bis 500 in einem. Man teilt sich zu mehreren ein Appartement, hat ein eigenes Schlafzimmer aber zusammen Wohnzimmer und Küche. In jedem College gibt es für die Gemeinschaft eine Kantine, einen Fitnessraum, einen Fernsehraum und eine Bibliothek. Zwei Studierende leiten das College – einer ist für die Universitätsleistungen, einer für die Haustechnik zuständig. Sieht doch nett aus, nicht wahr?

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Der Vorteil des engen Zusammenlebens: man lernt sich kennen. Lernt, mit den unterschiedlichsten Menschen auszukommen. Lernt, Nähe und Distanz zu leben. „Diversity“ gehört zum Motto der Universität, nicht erst seit den 1990ern, sondern schon von Beginn an. So jedenfalls die Idee. Klappt bestimmt nicht immer.

Interessanterweise ist eines der Argumente für Yale das umfassende Freizeitprogramm – und da das Gemeinschaftsgefühl einen hohen Wert hat, sind die Studierenden auch angehalten, sich außerschulisch zu betätigen. Ob sportlich, musisch oder in diversen Hilfsprojekten, es gibt hier alles. Grundsätzlich toll. Spannend fand ich den Gastkommentar in der „Yale Daily News dazu: Unter dem Titel „All lay and no work“ beklagt sich ein Student darüber, dass die universitären Leistungen seiner Komillitonen so sehr nachgelassen haben, dass an vernünftigen Unterricht gar nicht mehr zu denken sei. Keiner hat gelernt, sich vorbereitet oder weiß das vom Professor Erfragte. Im Gegenteil: am Unterricht mitzuwirken sei mittlerweile verpönt. Soweit der Einblick.

Das Herzstück: Die Bibliotheken

041116_yale5Sieht aus wie eine Kirche und sollte nach Vorstellung des Architekten James Gamble Rogers auch mal eine werden – aber der war dann flexibel genug, die Bezeichnung „Kathedral“ gegen „Library“ auszutauschen, weil die Universitätsleitung keinen Sakralbau auf dem Campus wollte. Nach der Umwidmung durfte Rogers dieses Gebäude bauen, das sich „Sterling Memorial Library“ nennt. Wir sind reingegangen und es in der Tat eine Kathedrale für das Wissen, eine Lobpreisung. Unglaubliche Atmosphäre. Hohes Kirchenschiff, typische Kirchenfenster. In den Seitenschiffen stehen gemütliche Sofas und so hocken die Kids da, den Apple-Laptop auf dem Schoss, neben sich Bücher und schreiben, schreiben, schreiben. Ich habe vor lauter Begeisterung einfach vergessen zu fotografieren.

Die Fassade auf alt zu trimmen ist übrigens des Architekten Freude gewesen – die Fertigstellung war nicht im 17. Jahrhundert, sondern im 20. Er hat gefaked. Auch bei den beiden anderen Gebäuden, die zu dem Ensemble gehören.

041116_yale4Hier zum Beispiel: Siehst Du die schwarzen Ränder an den oberen Zinnen des Turmes? Sicher das Ergebnis eines großen Feuers, denkst Du wahrscheinlich. Nö, das Ergebnis der Vorbehandlung des Materials durch Feuer, bevor es von den Bauarbeitern verarbeitet wurde.

Vier Millionen Bücher fasst der Bau – zwölf Millionen stehen insgesamt in Yale. Und sind der ganze Stolz der Universität. In Zeiten des Wissenszugangs via Internet erstaunlich, welche Bedeutung die Bibliotheken  Zahl nach wie vor für das Unileben haben.

Stef führte uns auch zur „Beinecke Library„, bei der ich dann immerhin ein wenig geknipst habe. Schon von Außen ein Quader, ist der Schatz der Bibliothek im Inneren gut sichtbar auf quadratischem Raum präsentiert und man kann ihn ehrfurchtsvoll umgehen. Hier stehen Hunderttausende historischer Manuskripte, darunter zwei Original Lutherbibeln, die in einer Vitrine gesondert ausgestellt wurden.

041116_yale8Unglaublich, oder? Du siehst im Hintergrund links die lichtdurchlässige Fassade? Marmor! So fein in der Struktur, dass das Sonnenlicht teilweise durchscheint.

Weitere Merkwürdigkeiten

041116_yale3Du wirst im „Visitor Center“ diesen netten Gesellen begegnen: Handsam „Dan“. Der Hund ist ausgestopft und das Maskottchen der Universität. Stef hat leider dennoch nichts über ihn ausgeplaudert.

 

 

 

041116_yale9Obwohl das Leben so ziemlich überall bei 2.0 ist und gerade in der Alma Mater sein sollte – nicht nur die Gebäude sind historisch. Auch die althergebrachten Informationsmedien, die ich noch aus der Uni kenne und das war weit vor Apple, erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Herrlich!

 

 

Die kostenfreie Führung durch den Campus findet immer um 14 Uhr statt. Sie startet im Visitor Center. Stef hat ihren Job wirklich sehr gut gemacht, daher kann ich die Tour nur empfehlen.

Falls Du mehr über Yale wissen willst: Hier geht es zur Website.

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