Ein spannendes „Stattdessen“

Die Schlange war so lang, dass sie aus dem Museum herausquoll und sich bis in die U-Bahn-Station wand. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Als studierte Historikerin habe ich an einem Geschichtsmuseum wie dem American Museum of Natural History natürlich riesiges Interesse, doch ich hatte keine Ahnung, dass dieses Museum so gefragt ist.

Gut, der Morgen gestern versprach einen regnerischen Tag und war damit eine Erlaubnis, den Tag drinnen zu verbringen. Aber dass gleich alle Touristen, die zur Zeit in New York sind, dort gleichzeitig hineinwollten? Hineinmussten, wie ich erfuhr – das Museum gilt als „Must see“. Zumal dort gerade „Lonesome George“ ausgestellt ist, der der Letzte seiner Art war, eine Riesenschildkröte. Aber da auch die „Fast Lane“ eher mit langer Wartezeit denn Durchhuschen verbunden war, bin ich dem „Must“ ausgewichen.

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Und habe ein unbedingtes „Muss“ gefunden für alle, die Entdeckungen lieben. Nur wenige Schritte Richtung downtown liegt das Museum der New York Historical Society. Auch das hat seinen Bekanntheitsgrad, aber es ist eher etwas für Liebhaber der kleinen Kabinettsausstellungen, denn für Touristen, die „Must sees“ abhaken. Mich hatte der draußen angebrachte Hinweis auf diese Ausstellung sofort in den Bann gezogen:

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Wer „Madeline“ ist, muss man in Amerika anscheinend niemandem erzählen – ich dagegen kannte die Kinderbuch-Titelheldin und kleinste der zwölf Internatsschülerinnen samt ihrer Abenteuer nicht. Und auch ihr Erschaffer, der Zeichner und Texter Ludwig Bemelmann, war mir unbekannt. Aber die Zeichnungen und die kurzen, direkten Texte sprachen mich sofort an. Bemelmann, Sohn einer Deutschen und eines Österreichers, ist 1904 nach New York gegangen – die Schulnoten waren so schlecht, dass er die Wahl hatte zwischen Internat und USA. (Das ist mal eine qualvolle Wahl!) Die kurzen Begleittexte zu Fotos und Scribbles lassen mich vermuten, dass er ein spannender Mensch war. Sehr kreativ und vielschaffend. So hat er Hotelwände gestaltet und auch Restaurants – in einem kann man bis heute dinieren. Als Texterin hat mich seine Leidenschaft für das Schreiben berührt: „Er schrieb in der Badewanne, beim Autofahren, in Zügen, in der Ecke eines Restaurants“. Spürst du die Hingabe für das Wort? Das ist es, was ich hier suche. Inspirierend!

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