Lohnendes Ausflugsziel am Hudson

Wenn ich gewusst hätte, dass Poughkeepsie in der Nähe liegt, wäre ich dorthin gefahren. Poughkeepsie – welch wunderbares Wort, welch schöner Name für eine Stadt. Poughkeepsie. Wie Du Dir denken kannst, leitet sich der Name von einer indianischen Bezeichnung ab. Die Quelle: Uppu-qui-ipis-in oder U-puku-ipi-sing. Heisst so viel wie „Hütte (oder Lager) am (kleinen) Wasser“. Sagt Wikipedia. Sagte aber auch meine Sitznachbarin, die mich im Zug gleich unter ihre Fittiche nahm. Eine zarte, ältere aber lautstarke Dame namens Jeannette. Ihr Ziel: Hudson. Und genau da wollte ich auch hin.

Gleich am Montag bin ich rausgefahren. Nicht, dass ich nach vier Tagen schon genug von der Mega-Stadt hatte. Aber die Wettervorhersage versprach einen schönen, eher kalten Oktobertag und da eine Lebenserfahrung sagt, dass man Dinge gleich tun soll, wenn sie einem in den Sinn kommen, habe ich die Idee eines sonnigen Tagesausflugs in die Tat umgesetzt.

Was soll ich sagen? Es war wunderbar. Hat gut getan. Einem Fluss zu folgen, nahezu immer am Ufer entlang zu fahren, jede Windung mitzumachen, ist sehr kontemplativ.

hudson_flussDie Sonne schien, die Ufer waren bewaldet, die Blätter zeigten sich grün, gelb, orange, rot. Der Amtrak fuhr am östlichen Ufer nach Norden, gegenüber folgten die Catskill Mountains dem Flusslauf. Jeannette machte mich auch auf nicht so ansehnliche POIs (Points of Interest) aufmerksam, wie verfallene Nähmaschinenfabriken oder aber das Kernkraftwerk Indian Point. Sie hatte einige Jahre in der Nähe gelebt, kannte sich dort aus und gehörte nach eigenem Bekunden schon in Kindertagen zu den frühen Protestlerinnen gegen das AKW.

Ob es viele Erkrankungen – auch Jeannette hatte eine angegriffene Gesundheit – oder andere Erfahrungen sind, weiß ich nicht. Aber einer der ersten Anblicke und sicher der am meisten berührende ist diese Wand:

hudson_beforeidieDie Einwohner Hudsons sind in diesem „Global Community Art Project“ aufgefordert, ihr Leben zu reflektieren und öffentlich zu bekennen, was sie vor dem Tod unbedingt noch erledigen wollen. Before I die. „Einmal auf jedem Kontinent lächeln“ steht da oder „Be a pincess“, aber auch „im Himalaya wandern“. Umgehauen aber hat mich die spürbare Verzweiflung dieses Schreibers:

hudson_wunschSich mit der Familie, dem Sohn, dem Vater versöhnen – hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Beste Wünsche.

Hudson ist an Wochenenden sicher voller Besucher, denn die zahlreichen Galerien und Antiquitätenshops in der Hauptstraße Warren Street brauchen ja Kaufwillige. Am Montag aber war ich so ziemlich alleine. Und konnte mir ausgiebig die nette Stadt anschauen, die viele Überraschungen birgt.

So ist dort das älteste überlebende Opernhaus des Staates New York zu finden. 1855 erbaut ist es heute ein kommunales Multi-Media-Zentrum mit Kursen in nahezu allem künstlerischem, was Klein und Groß sich erhoffen dürfen. Wer hätte das in der rund 6000 Einwohner zählenden Stadt gedacht?

Auch den Namen „Marina Abramovic“ in der un-trubeligen Kleinstadt zu finden, war verblüffend. In Moskau hat mich ihre Kunst zuerst begeistert, dann sah ich auf Youtube zahlreiche Performances und verpasste eine Ausstellung 2011 nur kurz im Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Und nun hier? Tatsächlich hat die Künstlerin angefangen, im unspektakulären Hudson am Hudson ein „Mekka für Künstler, Wissenschaftler und Denker“ zu bauen, wie die New York Times vor einem Jahr schrieb. Ist noch nicht fertig. Mehr dazu hier.

Zum Lachen brachte mich dann die am Wegesrand aufgeschlagene psychiatrische Praxis:

hudson_hilfeSonst aber hat die Stadt erwartete und erhofft schöne Anblicke geboten wie diesen hier:

hudson_ansicht

Hast Du Lust auf ein Elfchen, diese kleine Kreativübungs-Kunstform? Dann hätte ich hier als Ergebnis eines anregenden Tages eines für Dich:

Hudson,
die Stadt,
ist so schläfrig
wie der Flusspuls ruhig.
Scheinbar.

Von daher war es ziemlich richtig, dass ich dem Ruf „Go to Hudson“ gefolgt bin – wer weiß, welche Scheußlichkeiten mich in Poughkeepsie erwartet hätten. Obwohl … es klingt so verheißungsvoll. Poughkeepsie.

2 Kommentare

  1. Ach liebe Dörte, dann warst du ja in meiner Geburtsstadt. Yupp – ggü – über die mid-Hudson Bridge liegen die Dörfer wo ich aufgewachsen bin: highland, Milton und marlboro. Can’t wait to give you a Big hug, Love john

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