Spaziergang über Roosevelt Island

Seilbahn, Krankenhaus, moderne Architektur, Fotospots und witzige Kunst am Wasser – Roosevelt Island ist ein ungewöhnliches Fleckchen in New York. Komm mit auf einen Rundgang durch die Insel im East River.

Kleinod mit Überraschungen

Du hast die Ruhe, mal für ein paar Stunden die „lauten“ Attraktionen New Yorks sich selbst und den Millionen Touristen zu überlassen? Du suchst eine Prise Gelassenheit nach den hektischen Tagen im „Big Apple“? Dann ist ein Spaziergang über Roosevelt Island für Dich genau richtig. In rund drei Stunden hast Du den Rundgang entlang des Ufers absolviert. Langweilig wird Dir dabei bestimmt nicht, denn die Insel hat so einiges zu bieten. Wir starten am Westufer in der Mitte der Insel.

Eindeutige Kunst am Wasser

Skulptur im Wasser
Der Hummer mit Dolarzeichen greift das Haus im Rock an – Eine von drei Fantasien des Bíldhauers Tom Otterness. (c) Dörte Behrmann

Das erste, was mir auffällt, sind kleine, ungewöhnliche Skulpturen im Wasser. Sie erinnern mich an kleine Männchen, die ich schon in der U-Bahnstation 14th Street / 8th Avenue gesehen habe. Tatsächlich sind alle Kunstwerke von Tom Otterness, der in Brooklyn lebt und auf dessen Website Du sehen kannst, wie aufwendig sein Schöpfungsprozess ist.

Skulptur im Wasser 2
Dessen Fantasie geht noch weiter – hier greift ein Mann mit Zylinder aus dem Geldsack eine Münze an. (c) Dörte Behrmann
Skulptur im Wasser 3
Am Ende aber heiraten Haus und Münze – was dem gesamten Skulpturen-Dreiklang den Namen „Die Hochzeit von Geld und Immobilien“ gab. Und selbstverständlich eine Kapitalismuskritik darstellt.

Wasserwege mit Aussicht

„Was ist schöner“, fragte die taz einmal ihre Leser auf der Philosophie-Seite, „in einem schönen Haus zu wohnen und auf ein hässliches zu schauen oder in eben dem hässlichen wohnend den Blick auf das schöne zu werfen?“ Nun, soweit geht es hier nicht – Roosevelt Island ist sicher nicht die „hässliche“ Seite von Manhatten. Aber tatsächlich sind die Blicke von der Insel spektakulärer auf Uptown Manhatten als von dort auf die Insel.

Just in diesem Bereich Manhattens sind zwar nicht so viele Wolkenkratzer, für den der Stadtteil sonst bekannt ist. Der Boden ist dort nicht so felsig wie Downtown und Uptown. Der Blick auf die Skyline und das Empire State Building (links) ist aber dennoch ein Augenschmeichler. (c) Dörte Behrmann

Spitze mit Leutturm

An der nördlichen Spitze der insgesamt 3170 Meter langen Insel protzt ein kleiner Leuchtturm mit seiner Wichtigkeit. Tatsächlich ist der 17 Meter hohe Bau mit dem roten Licht auf der Spitze seit seiner Entstehung 1872 für die Schiffahrt von Bedeutung, denn die Kapitäne mussten ja sicher um die Insel navigieren, die da so frech im East River liegt. Und genau vor der Nordspitze sind nicht ungefährliche Untiefen zu finden.

Um den Bau des Leuchttürmchens ranken sich Legenden, in denen zwei Patienten des damals nahe gelegenen Gefängnisses eine Rolle spielen. Wenn du magst, kannst du die Geschichte hier nachlesen (auf englisch). Der Architekt des Turmes aber ist kein geringerer als James Renwick, Jr., der bis 1878 auch die St. Patrick’s Cathedral (5th Avenue/50th Street in Manhatten) ersann.

Roosevelt Island Leuchtturm
Umkehrpunkt bei Deinem Spaziergang über die Insel: der Leuchtturm im Norden. (c) Dörte Behrmann

Achteckiges Entree für eine Irrenanstalt

Roosevelt Island Ocatagon
Wuchtig aber auch irgendwie elegant ist der Ocatagon heute der Eintritt in das dahinterliegende Apartmenthaus. (c) Dörte Behrmann

Ob die kantige und wuchtige Form die kranken Menschen eingeschüchtert hat? 1834 erbaut wurde es nämlich zum Eingang der 1841 dahinter entstandenen Irrenanstalt, die die Amerikaner als „New York City Municipal Lunatic Asylum“ bezeichnen. Es wurde extra jenseits der trubeligen Innenstadt gebaut, war damit aber auch abseits der Aufmerksamkeit, was zu tragischen Verhältnissen führte. Die Patienten jedenfalls litten unter der brutalen Herrschaft der Pflegerinnen und Pfleger. Auch Typhus soll es gegeben haben. Eine New Yorker Journalistin ließ sich 1878 sogar undercover einweisen, um danach über die „Ten Days in a Mad-House“ ein Buch zu veröffentlichen. Viele Jahre später, im 20. Jahrhundert waren auch Billie Holiday für vier Monate (Vorwurf der Prostitution) und Mae West für acht Tage (öffentliche Obzönitäten) in der dann sicher besser geführten Anstalt eingewiesen.

Blick in die Zukunft

„High-Tech“ und „High-Design“ bringt die New York Times in einem Artikel zur Eröffnung des neuesten Gebäudes auf Roosevelt Island zusammen. Im November 2016 bei meinem Spaziergang noch im Bau, wurde die „Cornell Tech“ demnach im September 2017 eröffnet. Hier werden junge Menschen ausgebildet, um den technischen Sektor der Stadt zu bereichern. Sagt die Zeitung. Ich sage nur „Wow!“ angesichts der Architektur und der Fassadengestaltung, in der sich die Queensboro Bridge spektakulär spiegelt.

Baustelle
Grüne Lochbleche auf der linken Seite, verspiegelte Gläser hinten – die funkelnagelneue Cornell Tech zeigt schon Außen, was in ihrem Inneren zu erwarten ist: hier wird an der Zukunft gebastelt. (c) Dörte Behrmann

Lost place mit Heilungsabsicht

Leuchtturm, Gefängnis und Ocatgon sind nicht die einzigen historischen Bauten, die Dir beim Spaziergang am Ufer von Roosevelt Island begegnen. Auch diese Ruine wird Deine Aufmerksamkeit erregen:

„Smallpox Hospital“ steht auf dem Erklärschild in der Mitte – „Pocken-Krankenhaus“. Wie schon das Gefängnis hat die Insellage Roosevelt Island ungewöhnliche Bewohner gebracht. Auch dies Gebäude wurde von James Renwick, Jr. erbaut. Du erinnerst Dich – der Leuchtturm, die Kathedrale sind auch aus seiner Feder. Am 18 Dezember 1858 wurde die Heilanstalt eröffnet. 1886 wurde dann eine Schwesternschule daraus, in der junge Frauen bis 1950 ihren Beruf in den Klassenzmmern und Laboratorien erlernten. Heute existiert nur noch die Hülle, das Innere wurde gleich nach der Schließung abgetragen. Famose Heimat für wilde Katzen, die ich dort in aller Ruhe herumstromern sah.

Hingucker am Südende

Eigentlich müsste ich dir hier ein Foto der Franklin Delano Roosevelt Büste zeigen, die meterhoch das treppenartig gestaltete Südende dominiert. Aber ich finde diese Szenerie viel witziger.

Modeaufnahmen
Modeshooting (vorne) und Making of (hinten) – die New Yorker wissen Zeit effektiv einzusetzen. (c) Dörte Behrmann

Tatsächlich ist die obige Szene an dieser Stelle nicht die einzige mit Fotoapparaten – nahezu jeder Besucher des Südendes fotografiert sich und seine Begleitung wie wild inmitten dieser Granittafeln, die das milde Novemberlicht ganz einzigartig aufhellen.

Schweizer Idee zum Nulltarif

Wie kommst du nun nach Roosevelt Island, um diesen wunderschönen Spaziergang zu unternehmen? Du hast die Wahl – durch die Luft oder unter Tage.

Eine Seilbahn in New York? Tatsächlich ist dieses für eine Großstadt ungewöhnliche Fortbewegungsmittel sowohl bei den New Yorkern als auch ihren Gästen sehr beliebt. Zum Preis eines normalen U-Bahn-Tickets – mit Deiner 7-Tage Metro-Card sogar umsonst – zieht sie Dich in vier Minuten über 945 Meter von der Station 2nd Avenue/E 60th Street in die Höhe von 80 Metern und auf Nullhöhe beim Ende auf Roosevelt Island. Gönne Dir die atemberaubenden Blicke in die Häuserschluchten und weit über das Wasser! Die Seilbahn wurde 1976 von Schweizern gebaut. Von wem auch sonst?! Eigentlich als Provisorium gedacht – erste Häuser auf der zur autofreien Zone erklärten Insel waren fertig, aber der Zugang per U-Bahn noch nicht – wurde 1989 beschlossen, die Roosevelt Island Tramway weiter zu betreiben. 2010 wurde sie komplett renoviert.

Mittlerweile ist die U-Bahn selbstverständlich im Betrieb – steige in die Linie „F“ (Orange im Linienplan) und an der Haltstelle „Roosevelt Island“ aus. Die Station ist die tiefste in New York, Du darfst also einige Minuten Rolltreppe fahren. Seilbahn wie U-Bahn halten mittenmang auf der Insel. Starte hier mit dem Spaziergang.

Blick über den East River
Allein für diesen weiten Blick auf die Bay lohnt sich die Runde am Ufer von Roosevelt Island. (c) Dörte Behrmann

 

Roosevelt Island ist für alle jene spannend, die Natur auch in der Stadt suchen, einen Blick für historische Bauten und Spaß an moderner Kunst sowie Architektur haben. Ich habe es geliebt, dort bei meinem Aufenthalt 2016 zu wohnen, inmitten der Stadt und doch leicht distanziert.

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