Wahlpartys in New York

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Boh, was für eine Nacht. Den Ausgang der Präsidentschaftswahlen kommentiere ich jetzt mal nicht, ich möchte Dir stattdessen erzählen, wie es so war, unter Amerikanern die Berichterstattung zu erleben. Ausgangspunkt ist eine Stadt, die nur sehr, sehr vereinzelt zeigte, dass die wichtigste Wahl des Jahres im Gange war. 1200 Wahllokale gab es in den fünf Stadtteilen, aus denen New York besteht, jedes durch wenigstens einen Polizisten gesichert. Polizei und Straßensperrungen waren es auch, die am deutlichsten anzeigten, dass etwas Außergewöhnliches bevorstand.

Erste Station: Housing Works Book Café

In SOHO gelegen, ist dieser ungewöhnliche Buchladen ein Sammelplatz für alles, wofür Trump nicht steht: der Laden und das Café werden von Menschen mit HIV/Aids betrieben und das Publikum ist jung und studiert. Es waren ungefähr genauso viele Frauen wie Männer anwesend, im Alter zwischen 20 und 35 Jahre. Alle Ethnien.

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Um 18 Uhr fing die „Party“ an, wer pünktlich da war, musste sich in eine lange Schlange Wartender einreihen. Zugang gab es via Anmeldung der auf Facebook geposteten Veranstaltung, aber eine Identitätskontrolle wurde nicht gemacht. Bei 300 Anwesenden wurde der Laden einfach geschlossen. Die wenigen Stühle waren schnell besetzt, so dass ich auf einer Wendeltreppe sitzend den größten Teil des Abends verbrachte.

Das Publikum johlte zu jeder von den Demokraten gewonnenen Hochrechnung und buhte entsprechend bei Nennung des Gegners. Es gab mehr Buhs. Wie auf einer Studierendenparty wurde viel gescherzt, getrunken, gelacht, geflirtet. Es war eher ein gesellschaftlicher denn ein politischer Rahmen. Das Schweizer Fernsehen war auch da, interviewte einzelne Gäste – mich wollten sie nicht, da keine Amerikanerin.

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Auf einer riesigen Leinwand wurde CNN live geboten, auf einer anderen die Karte der Vereinigten Staaten. Dass immer mehr Staaten auf einer Karte rot wurden, hat nicht zur Veränderung der ausgelassenen Stimmung beigetragen. Es sei denn, man wertet das Verlassen Einiger als Stimmungsverändernd. Trump führte von Anfang an. Florida war noch nicht ganz ausgezählt, hatte sich im Laufe des Abends aber mehrmals von rot zu blau zu rot gefärbt.

Zunehmend unruhig geworden, verließ ich die Party gegen 22.30 Uhr den Ort, um Uptown am Rockefeller Center zu schauen, wie man dort die Ergebnisse beging.

Zweite Station: FOX News an der 6th Avenue

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FOX News war auch um 23 Uhr eindeutig in der Hand der Trump-Anhänger. Weiße Männer. Weiße Frauen. Viel Geld. Man starrte auf große Leinwände und mehrere Bildschirme. Ich kam an, als Trump wieder mehrere Staaten gewonnen hatte. Die Polizisten am Straßenrand unterhielten sich freudig über die Ergebnisse. Obwohl hübsch in Szene gesetzt, fror ich beim Anblick der Menge. Als ich mich abwendete, skandierte diese gerade „Trump for president“. And „Go, go, go“. Das tat ich, ich ging die paar Schritte weiter zu NBC News am Rockefeller Center.

Dritte Station: Rockefeller Plaza

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Unter dem Flaggenmeer und den mit tausenden von Lämpchen geschmückten Bäumen bot sich beim Rockefeller Center oberhalb der Eislaufbahn ein Wahnsinns-Bild: Die Plaza war zur „Democratic Plaza“ erkoren und voll mit Menschen, die auf zwei riesengroße Bildschirme starrten.

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Auch hier klärte Polizei den Publikumsverkehr und forderte zum Weitergehen auf. Der Eingang war offiziell an der 5th Avenue und als ich um das Gebäude ging, erschall lauter Beifall für neue Ergebnisse. Das machte Hoffnung. Viele Latinos waren zu sehen und zu hören, ein spanischsprechender TV-Sender übertrug mit viel Aufwand live.

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Spannung lag in der Luft, Positivismus. Da sich das Auszählen aber über so viele Stunden schon hingezogen hatte, auch eine gewisse Erschöpfung. Es war jetzt 0.00 Uhr, Hillary Clinton führte bei den Wahlmännern.

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Mir war kalt, ich war müde, alles schien möglich – ich fuhr heim.

Vierte Station: Heimisches Apartment

Auch wenn die Subways in New York City die ganze Nacht durchrollen, so sind die Abstände zwischen den Zügen doch groß. Erst um 1 Uhr Nachts war ich daheim, obwohl es nur vier Stationen zwischen Rockefeller Center und Roosevelt Island sind.

In der Zeit entschied sich die Präsidentschaft.

Völlig konsterniert schaute ich auf CNN News in meinem Laptop auf die vielen rotgefärbten Staaten, auf die Anzahl der Wahlmänner für Trump und Clinton. Irgendwie bedauerte ich es nun, schon heimgefahren zu sein. Andererseits – so gern ich die Enttäuschung der vielen Demokraten geteilt hätte, so ungern hätte ich die triumphierende Siegeslaune der republikanischen Anhänger erleben wollen. Wer weiß, welche Aggressionen sich in so enger räumlicher Nähe entladen hätten.

Tatsächlich sind ja noch in der Nacht einige auf die Straßen gegangen. Ich verzog mich ins Bett.

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2 Kommentare

    1. Moin liebe Heidrun,
      aber sehr gerne doch. Es war sehr spannend, die unterschiedlichen Atmosphären mitzuerleben und ich bin mir nicht sicher, ob ich das entsprechend vermitteln konnte. Freut mich aber, wenn Du Spaß beim Lesen hattest.
      Herzlich, Dörte

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