Auch Kapitäne mögen es grün

Hätte mich eine Bekannte aus New York nicht auf Snug Harbor hingewiesen, ich wäre dort bestimmt nie gelandet. Der wunderschöne und originelle Park liegt auf Staten Island also eigentlich genau dort, wohin es viele Besucher*innen New Yorks zieht. Allerdings nur ins Ferry Terminal: Mit der kostenfreien ikonischen gelben Fähre einmal von Manhatten „rübergemacht“ – an Lady Liberty vorbei – verlassen die meisten Menschen den Fähranleger nicht, sondern steigen für die Rückfahrt gleich auf die nächste Fähre. Was sehr schade ist. Andererseits – so bleibt die Ruhe im Park.

Snug Harbor, oder offiziell Sailors Snug Harbor, wurde 1833 fertiggestellt, um Seeleuten im Alter ein Heim zu bieten. Möglich wurde dies, weil der vermögende Robert Richard Randall, selbst ehemaliger Freibeuter und Kapitän, nach seinem Tode 1801 veranlasste, dass alte, erschöpfte und gebrechliche Seeleute dort ihren Lebensabend verbringen durften, wenn sie denn mindestens fünf Jahre für die US-Flagge zur See gefahren waren. Alter, Religion, Rasse oder andere Faktoren wurden nicht berücksichtigt. Was ich schön finde: jeder dort wurde „Kapitän“ genannt. Du kannst hier bei Wikipedia mehr zur Geschichte des Heimes lesen.

1976 zog das Altersheim um und aus dem großen Gelände und den wirklich schönen, imposanten Gebäuden wurde ein Kulturzentrum, was es bis heute für die New Yorker ist. Als Tourist aber besuchst du vor allem den Park und flanierst durch den botanischen Garten. Zwei Dinge haben Ilka und mich bei diesem Besuch besonders beeindruckt: die Gedenkstätten für die Opfer von 9/11.

Zum einen der „Healing Garden“, ein auch im November trotz leicht trostlosem Aussehen der Pflanzen berührender Ort. 2008 angelegt, soll er den Angehörigen und Freund*innen der 274 Staten Islander, die bei den Anschlägen auf die Zwillingstürme des World Trade Centers 2001 ihr Leben gelasssen haben, Trost spenden. Die heilende Wirkung der Bäume, wie Kirsche, Spitzahorn, Robinien und Weiden sowie ein Brunnen mit vier gusseisernen Gesichtern im römischen Stil, die die vier Jahreszeiten und damit den Kreislauf des Lebens symbolisieren, tun allerdings auch großstadtgetümmelmüden Tourist*innen gut.

Scheitelpunkt des Spaziergangs durch den „Healing Garden“ in Snug Harbor ist der Brunnen

Noch berührender aber war das „World Trade Center Educational Tribute“. Die Gedenkstätte ist in einem 1886 erbauten kleinem Häuschen untergebracht und nimmt beim Eintritt ob der Fülle der Bilder und der ausgestellten Stücke den Atem. Aus Ehrfurcht habe ich tatsächlich keine Fotos gemacht, mach‘ dir also bitte selbst vor Ort einen Eindruck. Filme der Einschlagsmomente, Fotos von Manhatten in den Stunden und Tagen danach, Modelle der Türme und Original-Stücke der Feuerwehrmänner fesseln. Tief Schlucken aber musste ich, angesichts der 274 Poträts, die gleich die erste Wand schmücken. Das Educational Center hat natürlich einen pädagogischen Hintergrund:

Es soll ihre Geschichten erzählen und alle Besucher über die Geschehnisse dieses Tages aufklären. Es bietet den Besuchern einen Ort, an dem sie den Toten Respekt zollen, nachdenken und lernen können.
Aus einer Pressemeldung Snug Harbor, 9.9.2022

Snug Harbor Website: www.snug-harbor.org

Du fährst am Besten mit dem Bus, zum Beispiel mit dem S44 ab St. George Ferry Terminal. Der Ausstieg erfolgt dann an der Henderson Avenue / Westbury Avenue. Dann einfach geradeaus durch den Park. Viel Vergnügen!