Wenn dir klassische Musik gefällt und du in all dem Trubel an einem Mittwoch Lust auf eine Stunde köstlichen Musikgenuss hast, dann empfehle ich dir, mittags um 13 Uhr in die Alice Tully Hall zu gehen. Dort geben Absolvent*innen einer der besten Musikhochschulen der Welt Kostproben ihres Könnens, sind stolze Familienmitglieder und Freund*innen zu beobachten und ist einer der schönsten Konzertsäle zu bewundern, den ich je gesehen habe. Es braucht noch ein Argument meh? Das alles ist kostenlos!
Ich weiß nicht mehr, wann ich das erste Mal von diesem für die meisten Touristen wahrscheinlich völlig unbekannten Erlebnis gehört habe, aber es ist lange her. Da ich aber Klassik liebe – und in meinem ersten Berufsleben viel damit zu tun hatte – habe ich es mir als großartige Möglichkeit, in den Alltag der New Yorker*innen zu schauen, gemerkt. Und seitdem jedes Mal bei meinem Besuch ein Konzert besucht.
Das Tolle ist nämlich, dass diese Mittagskonzerte nahezu über das ganze Jahr laufen. Und jeden Mittwoch ist einem anderen Instrument gewidmet. Ich hatte schon Percussionisten, die Xylophone waren fantastisch / eine völlig neue Erfahrung, nur die Trommeln zu hören, und Flöten. Mehrmals gab es Piano-Mittage. So auch jetzt.
Wir bekamen in 60 Minuten sechs Stücke zu Gehör, gespielt von sechs Absolvent*innen der Juillard-School. Eine Reise durch die Zeit, angefangen bei Bach, geendet Nikolai Kapustin. Dazwischen Beethooven, Criabin und Liszt. Handwerklich auf dem höchsten Niveau, wir erlebten Künstler*innen, die mit ihrem Instrument verschmolzen.
Besonders gefallen hat mir die Musik von Nikolai Kapustin (1937 bis 2020), gespielt von Joshua Mhoon. Du kennst Kapustin nicht? Ich musste auch googeln und weiß jetzt, dass in der Ukraine geborene und in Moskau gestorbene Komponist dafür steht, jazzige Elemente in die Klassik integriert zu haben. Und genau das haben wir gehört, bei seinen Variationen Op. 41.
Um dir einen Eindruck zu geben, hier das Stück, gespielt auf Weltniveau, allerdings auch von einem Ensemble. Unser Pianist, der junge Joshua Mhoon, hatte nur sein Klavier. Dennoch kam natürlich die besondere Qualität seines Spiels und des Stücks heraus. Ein absoluter Genuss!
Ob er tatsächlich schon auf Weltnievau spielt, mögen andere entscheiden. Seine Biografie jedenfalls ist beindruckend und auf seiner eigenen Website nachzulesen Der junge Mann spielt seit seinem siebten Lebensjahr, wurde entdeckt kann bereits auf mehrere Konzerte in der ganzen Welt sowie TV-Auftritte zurückblicken. Geboren in Chicago ist von jeher die Verschmelzung verschiedenen Musikrichtungen seine Spezialität.
Ich konnte nicht herausfinden, in welchem Semester auf der „Juilliard“ er und die anderen Vortragenden studieren. Aber Anfänger sind das alles nicht. Die Privatuni für Musik und Darstellende Künste hat schon viele Berühmtheiten hervorgebracht, darunter die Schauspiler William Hurt und Robin Williams und die Musiker Joshua Bell (Geige), Herbert Blomstedt (Dirigent) und David Garrett (Geige). Es lohnt sich also der Weg in die Alice Tully Hall, denn vielleicht erkennst du Jahre später den jungen Mentschen am Klavier als Starsolist*in in einem umjubelten Konzert wieder.
Alice Tully Hall: Broadway / 65th Street.