Red Hook per Rad

101116_redhook_1New York, das ist nicht nur Manhattan, auch wenn die meisten Touristen sich ausschließlich auf der Insel aufhalten. Für mich sind das Spannende an New York zu einem entscheidenden Teil die Stadtteile jenseits von Uptown und Downtown. Durch einen Zeitungsartikel auf „Red Hook“ aufmerksam gemacht, habe ich mir am Montag ein Fahrrad geliehen und bin durch den südlichen Teil Brooklyns geradelt, der vor fünf Jahren vom Hurrican „Sandy“ ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden war und jetzt neu hergestellt ist. Eine echte Entdeckung!

Das Viertel „Red Hook“ – „rotes Fähnchen“ – trägt seinen Namen wegen des Aussehens und des lehmroten Bodens. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts prägen Industriebauten die Gegend, deren verfallene oder restaurierte Architektur heute den besonderen Charme des Viertels ausmacht. Der Verkehr ist jenseits der größeren Durchgangsstraßen ziemlich ruhig, und so ist das Radfahren an diesem sonnigen Vormittag eine echte Freude.
In der Court Street wird das Fahrrad bei einem Bike Store für 20 Dollar bei zwei Stunden ausgeliehen. Klingt nach einem fairen Preis. Katzenschnurren inklusive.

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Schnell ist man am Wasser und genießt den Ausblick über die Bay und auf die Freiheitsstatue.

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Vor allem aber faszinieren die riesigen Fabrikhallen und Lagerhäuser. Manche von ihnen werden heute noch genutzt und so jonglierst Du mit dem Fahrrad ab und zu dann doch zwischen dem ein oder anderen Truck riesigen Ausmaßes. Andere Gebäude wurden oder werden gerade zu Shops, Restaurants, Studios, Büros umgebaut. Die harte Arbeit, die hier über viele Generationen geleistet wurde, liegt immer noch in der Luft, man spürt die Arbeitermentalität.

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An einem der Gebäude fanden wir eine rührende Inschrift, die deutlich zeigt, welche mühsamen Biografien hier geschrieben wurden:

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„Das Leben versprach ihr nichts, außer, dass sie geboren wurde und im Schatten der Lady (gemeint ist die Freiheitsstatue) aufwachsen durfte“ heißt es da. Und: „Das Kind wurde zur Frau, heiratete, bekam Kinder, arbeitete in einem Ausbeutungsbetrieb für einen Dollar am Tag, unterstütze die Textilarbeiter, sich gewerkschaftlich zu organisieren und wurde die Norma Ray von Süd-Brooklyn.“ Norma Ray ist ein Film mit Sally Field aus 1979, der auf einer wahren Begebenheit beruht und das Leben einer Frau nachzeichnet, die sich mehr und mehr politisiert, um für sich und andere bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Eine solch tapfere Frau hatte anscheinend dieser dankbare Sohn zur Mutter.

Es gibt einen hübschen Greenway entlang des Wassers, frisch hergestellt, noch nicht überall fertig. Folgst Du diesem, – bei IKEA vorbei – so landest Du unweigerlich am Pier 41. In dem langgezogenen ehemaligen Fabrikgebäude ist unter anderem die Red Hook Winery angesiedelt, die nur Weine verkauft, die aus den Weinanbaugebieten des New York State kommen. Es war zu früh zum Probieren, aber der Ort gefällt wegen seines authentischen Charakters, dem Lokalpatriotismus und der Freundlichkeit seiner Besitzer, mit denen Du leicht ins Gespräch kommst.

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Du kannst täglich von 11 bis 17 Uhr die Weine probieren, und am Samstag und Sonntag wird eine kostenfreie Tour mit Tasting durch die Winery angeboten. Lohnt sich bestimmt.

Red Hook ist aber nicht nur Arbeit, Produktion oder Shopping, es ist auch Wohnen. Doch während die einen schon immer für schmales Geld – jedenfalls nach New Yorker Verhältnissen, wo Du leicht für eine 35 Quadratmeter Wohnung 1800 Dollar Miete monatlich zahlst – in kleineren Townhouses leben, leisten sich die anderen neu errichteten Wohnraum, wie diesen hier:

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Rund 1.3 Millionen Dollar musst Du im Durchschnitt hinlegen, wenn Du ein Haus mit drei Schlafzimmern kaufen willst. Das wird diese Größe sein. Das Leben mit direktem Blick auf Downtown ist eben teuer.

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Den Abschluss eines zauberhaften, spannenden Vormittags voller Entdeckungen bildete dann der Lunch im „Le petit Café„, Court Street. SEHR zu empfehlen, auch ohne vorherige Radtour.

Das Omelett mit Lachs war großartig, es gab endlich mal ordentliches Besteck, der Service sehr aufmerksam und freundlich. Du zahlst bar, man akzeptiert keine Karten, kannst aber ewig dieses ungewöhnlich geschmackvolle und außergewöhnliche Plätzchen mit selbstverständlich freiem WiFi genießen.

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Red Hook erreichst Du mit der Linie „F“. Am besten steigst Du an der Station „Smith Street / W 9 Street“ aus und läufst dann weiter.

 

2 Kommentare

  1. Liebe Dörte,

    schöne Idee für eine Radtour! Der Pier mit den Lagerhäusern, von dem du das vorletzte Bild gemacht hast, gehört zu meinen Lieblingsplätzen in New York. Hier noch zwei Insidertipps fürs nächste Mal:

    Wer (wie ich) auf Süßes steht, sollte zwischendrin unbedingt bei Pete’s Key Lime Pie vorbeischauen – es ist der leckerste seiner Art in der ganzen Stadt.

    Und die gelbe Fähre, die du fotografiert hast, gehört zwar eigentlich zum New York Water Taxi, aber viele Einheimische nennen sie die Ikea-Fähre – weil sie von Manhattan aus eben dorthin und zurück fährt. Deshalb sieht man oft verdächtig viele Leute mit blauen Taschen am Pier 11. ;-)

    Viel Spaß noch in NYC!
    Petrina

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